Abdullah Gül und Ali Babacan gehören zu den ersten Weggefährten des heutigen türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Als die AKP 2002 gegründet wurde, wurde Gül Außenminister, Babacan bekam wiederum den wichtigen Posten des Wirtschaftsministers.
Beide schafften es, die Türkei außenpolitisch und wirtschaftlich zu einem wichtigen Player in Europa zu machen. Doch dieser Erfolg wurde nicht belohnt, sondern sie wurden im Laufe der Jahre schrittweise von Erdoğan zu Außenseitern innerhalb der AKP gemacht.
Heute geht es der türkischen Wirtschaft gar nicht gut. Während das lukrative Ressort Wirtschaft innerhalb der Familie an Schwiegersohn Berat Albayrak ging, wird die Außenpolitik vom Nationalisten Mevlüt Çavuşoğlu geleitet.
Ali Babacan, der erste Wirtschaftsminister der AKP-Regierung, ist für Politiker Verhältnisse relativ jung. In der Zeit ab 2002 hat er bereits nachgewiesen, wie kompetent er im Bereich Wirtschaft ist. Auch deshalb setzen viele ihre Hoffnung in Babacan. Er will jetzt eine neue Partei gründen. Diesen Wunsch hat er dem türkischen Staatspräsidenten Erdoğan persönlich mitgeteilt. Doch bis heute konnte er seine Partei nicht offiziell gründen. Man erwartet jetzt eine offizielle Gründung im März. Doch nun taucht plötzlich wieder Abdullah Gül auf.
Abdullah Gül war nicht nur Außenminister der Türkei, sondern hat in den Folgejahren auch das Amt des Ministerpräsidenten und später des Staatspräsidenten bekleidet. Die Erfahrung Güls spricht für sich. Lange hat er sich vor der Öffentlichkeit versteckt. Er hatte sogar deklariert, sich von der aktiven Politik zurückgezogen zu haben. Jetzt spricht Gül aber in einem großen Interview über seine Ziele. Dabei stellte er klar, dass er voll und ganz die künftige Partei Ali Babacans unterstützen werden. Ein Comeback mit viel Wirkung.
Erdoğan versucht seit Monaten hinter den Kulissen Gül und Babacan von ihrem Vorhaben abzuhalten. Sogar den ehemaligen Generalstabschef und heutigen Verteidigungsminister Hulusi Akar hatte er mit Helikopter zu Abdullah Gül geschickt, damit er ihn überzeugt.
Doch die ruinierte Wirtschaft der Türkei bietet für Babacan den idealen Nährboden. Experten gehen davon aus, dass Ali Babacan spätestens Anfang März den Antrag zur Parteigründung einreichen wird und einige AKP-Austreter in seine Partei aufnehmen wird. Auf der anderen Seite wächst die Partei von Ahmet Davutoğlu weiter. Auch Davutoğlu gehört zu den engsten Vertrauten Erdoğans. Er war sogar der erste AKP Ministerpräsident nach Erdoğan.
Erdoğans größte Furcht ist derweil der mögliche Stimmverlust seiner AKP nach den Neugründungen. Welche Maßnahme er gegen diese neuen Konkurrenten plant ist in diesem Stadium eine der spannendsten innenpolitischen Fragestellungen. Man munkelt, dass Erdoğan noch rigider wird und beide verhaften lässt. Eine ganz andere Version liefern Experten, die von Erdoğan einen pragmatischeren Weg erwarten. Demnach könnte der erfahrene Leader einen Normalisierungsprozess einläuten und den Weg in Richtung Westen drehen, um seine Beziehungen und somit seine Position zu stärken.
Doch der islamistische Ansatz Erdoğans führt nicht nur auf der ganzen Welt, sondern auch in der Türkei in eine Krise. Dieses Zitat seines alten Weggefährten Abdullah Gül, womit er seine Rückkehr in das politische Feld eingeläutet hat, spricht Bände: “Der Islamismus ist in der ganzen Welt am Ende”.