Die niederländische Diyanet-Stiftung (Hollanda Diyanet Vakfı), das Pendant zum deutschen Moscheeverband DITIB, hat erstmals öffentlich zugegeben mutmaßliche Anhänger der Gülen-Bewegung ausspioniert zu haben. Das sagte der Vorsitzende der niederländischen Diyanet-Stiftung Murat Türkmen in einer Anhörung vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Türkmen ist als Vorsitzender der niederländischen Diyanet Stiftung verantwortlich für 148 Moscheen im ganzen Land. In der Anhörung gab Türkmen zu, dass Mitglieder seiner Stiftung Anhänger der Gülen-Bewegung in den Niederlanden ausspioniert und an die türkischen Behörden gemeldet haben. Die Bewegung um den im US-Exil lebenden Prediger Fethullah Gülen wird von der türkischen Regierung für den Putschversuch 2016 verantwortlich gemacht und seitdem weltweit von der türkischen Regierung verfolgt. “Die Namen der Sympathisanten der Gülen-Bewegung hätten nicht an die Türkei übermittelt werden dürfen”, sagte Türkmen. Das sei äußerst inakzeptabel. Die Stiftung ziehe die Konsequenzen für solche Fehler: “Wenn irgendein Imam unserer Moscheen sich an einer Spionage beteiligt, schicken wir ihn sofort wieder zurück in die Türkei”, so Türkmen weiter. So sei ein Imam in der Stadt Hoorn bereits in die Türkei zurückgeschickt worden.
“Moscheen für Gülen-Anhänger offen”
Türkmen musste sich auch mit dem Vorwurf befassen, dass Anhänger der Gülen-Bewegung nach dem Putschversuch die Moscheen der Diyanet Stiftung nicht mehr betreten dürften und die Namen vieler Türken in den Niederlanden an die Türkei gemeldet wurden. Diese Vorwürfe wies Türkmen zurück. Moscheeverbote habe es niemals gegeben. Die Tür sei für Anhänger der Gülen-Bewegung offen. In den Moscheen dürfe man niemanden ausgrenzen, so Türkmen.
Es sei der ehemalige Vorsitzende der Diyanet, Yusuf Acar gewesen, der die Namen der Anhänger der Gülen-Bewegung nach Ankara übermittelt hätte. Acar habe das aber nicht im Namen der Diyanet Stiftung gemacht, sondern als Staatssekretär für Religionsangelegenheiten der türkischen Botschaft in Den Haag. Türkmen dazu: “Das, was Yusuf Acar tat, finde ich nicht richtig. Es kann sogar als Spionage bewertet werden. Die Namen der Sympathisanten der Gülen-Bewegung hätten nicht an die Türkei übermittelt werden dürfen. Spionage ist inakzeptabel.”
Kommission: Moscheen sind der verlängerte Arm von Erdoğan
Der Untersuchungsausschuss der Zweiten Kammer der Generalstaaten (Tweede Kammer) hat erklärt, dass die niederländische Vertretung der türkischen Diyanet Stiftung oftmals als der verlängerte Art der türkischen Regierung fungiere. Dies beeinflusse die türkische Community in den Niederlanden. Die Kommission fragte Türkmen, ob die Imame im Zweifelsfall den Niederlanden oder der Türkei treu seien. Der Diyanet Vertreter antwortete prompt, die Imame würden selbstverständlich der Niederlande treu sein. Ihre Moscheen stünden für jeden offen. Niemand werde aus den Moscheen vertrieben. Außerdem lehnte Türkmen ab, Politik im Sinne der türkischen Regierungspartei zu machen. “In den Moscheen gibt es keine politischen Botschaften. Wir betreiben keine Politik. Es hätte keine Spionage stattfinden dürfen. Wir erleben hier Dinge, die so nie hätten passieren dürfen. In Zukunft werden wir so eine Situation nicht mehr erleben.”
Was war geschehen?
Zwischen der Türkei und der Niederlande gab es eine “Spion-Imame-Krise,” nachdem bekannt wurde, dass der Religionsattaché der türkischen Botschaft in Den Haag geheimdienstliche Aktivitäten forciert hatte. Daraufhin hatte der damalige niederländische Außenminister Bert Koenders den türkischen Botschafter einbestellt. Der Botschafter musste sich in den Spionagefällen von mutmaßlichen Gülen-Anhängern erklären. Derartige Vorgänge könne die Niederlande niemals billigen, hatte Koenders unmissverständlich klargestellt.
Spionage zugegeben
Wie auch in Deutschland, wurden Hunderte Namen von Bürgern der Niederlande an die türkischen Behörden übermittelt. Sie alle wurden damit verdächtigt eine Nähe zur Gülen-Bewegung zu haben. Darunter auch Politiker der Christ-Demokraten (CDA). Daraufhin forderte Sylbrand Bruma, Parteivorsitzende de CDA, die sofortige Einbestellung des Botschafters und dessen Anhörung. Der als Hauptverantwortlicher gehandelte Religionsattaché des türkischen Konsulats in Deventer, Dr. Yusuf Acar, hatte sogar in einem Interview mit dem Telegraaf die Spionage teilweise eingeräumt. Acar gestand, lediglich die Namen einiger, auch im Internet bekannter Personen an die Türkei weitergeleitet zu haben. Doch geheimdienstliche Aktivitäten lehnte er ab. Das Konsulat hingegen sagte, dass Acar auf eigene Initiative gehandelt habe.
Kritik von der CDA-Führung
Im Spionagebericht wurde die CDA Parteivorsitzende Sylbrand Bruma als “Festung der Gülenisten” bezeichnet. Genau von dieser Person kam auch die stärkste Kritik. “Diese Verleumdungen sind lächerlich und realitätsfern. Das zeigt, wie weit Ankara in Sachen Propaganda geht. Ein weiterer Beweis dafür, dass sich die türkische Regierung in unsere inneren Angelegenheiten einmischt. Das ist erstaunlich und geht viel zu weit. Das Kabinett muss den Botschafter darauf aufmerksam machen”, so Bruma.
Der Text stammt im türkischen Original von