Während im türkischen Marmarameer ein türkisches Boot im Feuer von der US-amerikanischen Kriegsflotte gerettet wird, eskortieren türkische Kriegsschiffe zeitgleich zivile Schiffe, die illegalen Waffenhandel betreiben.
BOLD ANALYSE
von Fatih Yurtsever
In welchen Sumpf führt die Erdoğan-Regierung die türkische Marine vor der libyschen Küste?
Die türkische Öffentlichkeit ist weiterhin hauptsächlich mit der Militärsoffensive im syrischen Idlib sowie mit dem gefährlichen Coronavirus beschäftigt. Medien in Libyen thematisieren hingegen die Aktivitäten der türkischen Marine vor den Küsten Libyens. Demnach sollen diese in den vergangenen Wochen unbemannte Drohnen des libyschen Generals Chalifa Hafter abgeschossen haben.
Bereits in Vergangenheit veröffentlichten libysche Medien Aufnahmen, in denen türkische Kriegsschiffe beim Eskortieren von zivilen Schiffen zu sehen waren. Diese Schiffe würden illegal Waffen an die international anerkannte libysche Regierung von Ministerpräsident Fajis al-Sarraj liefern.
Laut libyschen Medien besteht die türkische Militär-Gruppe aus zwei Kriegsflotten. Diese würden mit Waffen beladene Schiffe bis vor den Hafen von Tripolis begleiten. Bei einem dieser Aufträge habe ein türkisches Kriegsschiff eine Drohne des General Hafter abgeschossen. Der Auftrag soll inzwischen beendet worden sein. So sollen die Kriegsschiffe nach insgesamt zwei Monaten wieder an ihre Basisstationen zurückgekehrt sein.
Damit zieht die Erdoğan-Regierung das türkische Militär (TSK), wie auch schon in Syrien, in eine Zwickmühle. Ein Auslandseinsatz des türkischen Militärs kann in der Regel nur nach Zustimmung des türkischen Parlaments genehmigt werden. In der entsprechenden Zustimmung des Parlaments war aber nie die Rede von einer Eskort-Mission für mit Waffen beladene Handelsschiffe. Zudem gilt nach einer Entscheidung des UN Sicherheitsrats ein Waffenembargo für Libyen.
In Zeiten von Frieden müssen sich Kriegsschiffe bei Aktivitäten auf offenem Meer an internationales Recht und den international gültigen Einsatzregeln orientieren. So wird es Kriegsschiffen nicht erlaubt Gewalt anzuwenden, es sei denn, sie dienen der Selbstverteidigung. In diesem Zusammenhang bedeutet die Missachtung des Waffenembargos für Libyen und der Abschuss einer unbewaffneten Erkundungs-Drohne die Missachtung von internationalem Recht.
In einem Brief des ständigen Vertreters von Ägypten bei der UN am 10. März 2020 wird der Türkei vorgeworfen, dschihadistische Gruppierungen in Syrien und Al-Qaida-nahe Terroristen nach Libyen gebracht zu haben und das Waffenembargo missachtet zu haben.
Bei einer Sitzung im Januar in München wurden Entscheidungen getroffen, die den Waffenstillstand und die Stabilität in Libyen garantieren sollen. Diese Entscheidung hat die Aktivitäten der Türkei in Libyen noch zerbrechlicher gemacht, als sie es ohnehin schon waren.
Die europäische Union hatte erklärt, dass eine Offensive auf offenem Meer stattfindet, die die Einhaltung des Waffenembargos überwachen und illegalen Waffenhandel in Libyen verhindern soll. Vermutlich wurde die Entscheidung der Türkei, die Aktivitäten vor Libyen zu stoppen, nach dieser Erklärung der EU getroffen.
Durch die zahlreichen Rechtsbrüche des Erdoğan -Regimes ist die Türkei kein verlässlicher Partner mehr. Dies gilt selbstverständlich auch auf offener See. Die Türkei ist eher ein Problemkind, dass noch viel stärker kontrolliert werden muss. Die Italiener, die mit Russland gute Verhältnisse haben, sehen die Türkei in Libyen als einen möglichen Partner. Das türkische Verhältnis zu Frankreich hingegen ist wegen den Erdöl-Bestrebungen im Mittelmeer sowie der Zypern-Problematik angespannt.
Aufgrund der großen Meinungsunterschiede hat Frankreich eine Gruppe ihrer Kriegsschiffe mit Kampfjets ins östliche Mittelmeer geschickt. Zuvor sagte der französische Verteidigungsminister, dass Frankreich im Streit um Zypern auf der Seite Griechenlands stehe. Diese Unterstützung ist nun auch mit physischer Präsenz sichtbar. Zuletzt hatten Einheiten der griechischen Flotte auf Höhe der griechischen Insel Kreta Übungen mit französischen Kriegsschiffen durchgeführt. Die beiden EU-Staaten lassen die Muskeln spielen.
Die Türkei verursacht mit zahlreichen Rechtsverstößen einen großen Vertrauensverlust und erzeugt in den Konfliktthemen Zypern, das östliche Mittelmeer und Libyen immer mehr Bündnisse gegen sich selbst. Diese Haltung führt auch dazu, dass das traditionell hoch angesehene türkische Militär in der NATO an Glaubwürdigkeit verliert. Die Suspendierungen von Soldaten und die zunehmende Politisierung fördern diesen Vertrauensverlust zusätzlich.
Auch wenn Vorfälle wie der Bruch des Waffenembargos, der Abschuss von unbemannten Erkundungs-Drohnen dem Erdoğan Regime in die Hände spielen, führen sie zu einem großen Imageschaden der türkischen Marine. Dabei ist sie der sichtbarste Teil der türkischen Streitkräfte und eigentlich weltweit hoch angesehen. Langfristig wird das der Türkei große Schwierigkeiten bereiten. Dabei liefert die Türkei auch noch die nötigen Belege dafür.
Während unsere Kriegsschiffe im Mittelmeer mit diesen Themen beschäftigt sind, hat ein US-amerikanisches Schiff ein türkisches Boot in Not gerettet. Die USS ROSS eilte beim Übergang vom Schwarzen Meer zum Mittelmeer der Besatzung eines in Flammen stehenden türkischen Bootes zur Hilfe. Die evakuierten Personen wurden der türkischen Küstenwache übergeben. Die US-Botschaft in Ankara hat die Ereignisse via Twitter bekannt gemacht.
Zwar ist es eines der festen Gebote all jenen zur Hilfe zu eilen, die auf offener See in Not geraten. Dennoch: das Marmarameer ist türkisches Gewässer und kein internationales. Dass das brennende Boot auf die Hilfe der Amerikaner angewiesen war, ist ein Armutszeugnis für die türkische Küstenwache. Darüber hinaus ist es auch eine Blamage für die türkische Marine.
Die einzige mögliche Schlussfolgerung: Solange das türkische Militär und die Marine als Apparat des türkischen Präsidenten bei seinen illegalen Angelegenheiten fungieren, können sie ihrer eigentlichen Aufgabe nicht nachgehen. Somit verlieren sie ihr Ansehen und ihre Glaubwürdigkeit. Leider treibt das Erdoğan-Regime aus eigenem Interesse die angesehenen Institutionen der Türkei in den Ruin.