Der aserbaidschanische Unternehmer Mübariz Mansimov Gurbanov gehört zu den prominentesten Oligarchen der Türkei. Diesen Ruf verdankt er seinem Vermögen von etwa 1,3 Milliarden Dollar. Nicht selten tauchte Gurbanov auf Fotos mit unterschiedlichen politischen Führern wie beispielsweise dem US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump auf.
Am Montag wurde Gurbanov überraschend festgenommen. Ihm werden Beziehungen zu der Bewegung rund um den im US-Exil lebenden Fethullah Gülen vorgeworfen. Diesen sieht die türkische Regierung als Urheber des Putschversuchs vom 15. Juli 2016. Damit sieht die Regierung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan die Bewegung als eine gefährliche Terrororganisation an. Belegt hat Ankara das bislang nicht. Kein anderes Land stuft die Bewegung so ein, wie es die Türkei tut. In der Türkei werden Anhänger der Gülen-Bewegung meist zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Mit dem Vorwurf ein sog. “Gülenist” zu sein, wurde das Vermögen tausender Unternehmer beschlagnahmt. Schätzungen zufolge liegt das Ausmaß bei mehr als 10 Milliarden Euro.
Das jetzt auch der Oligarch Gurbanov mit diesem gravierenden Vorwurf festgenommen worden sein soll, ist jedoch sehr überraschend. Denn bislang war Gurbanov nicht unbedingt mit einer engen Beziehung zu der Gülen-Bewegung aufgefallen. Kurz vor seiner Festnahme wies der Oligarch in einem Beitrag auf Twitter diese Vorwürfe zurück:
“Diese Ehrlosigkeit würde nicht einmal vom Feind kommen. Anstatt mich als FETÖisten zu bezeichnen [Anm. d. Red.: Als FETÖisten werden in der Türkei Anhänger der Gülen-Bewegung bezeichnet.], solltet ihr erst einmal euch, eure Vergangenheit und die ehemaligen Bildungsstätten eurer Kinder ansehen. (…)”
Gurbanovs Reederei “Palmali Group of Companies” ist in der Türkei als einziges Unternehmen berechtigt, Öl aus Aserbaidschan zu importieren.
Ihm gehörte unter anderem auch der luxuriöse Yachthafen an der ägäischen Küste Yalıkavak. Dieser internationale Yachthafen wurde kürzlich an den ehemaligen Politiker Mehmet Ağar übertragen, ohne das Ağar dafür eine Gebühr zahlen musste. Beobachter vermuten dahinter ein politisches Kalkül. Denn Ağar gehört seit den 1990er Jahren zu den mysteriösen politischen Figuren der Türkei. Ihm wird Nationalismus vorgeworfen. So sehen Experten in ihm den Architekten des Krieges gegen die Kurden. In diesen Jahren war Ağar türkischer Innenminister und zuvor nur ein gewöhnlicher Polizeibeamter.
Er soll seine politische Kraft dazu genutzt haben, kurdische Unternehmer töten zu lassen oder Erpressungsgelder von ihnen zu kassieren. Selbst der Name des kurdischen Sängers Ibrahim Tatlıses soll auf seiner Liste gestanden haben. Tatlıses habe daraufhin 10 Millionen Dollar an Ağar gezahlt haben, heißt es in Kennerkreisen. Doch sowohl Ağar als auch Tatlıses haben diese Vorwürfe zurückgewiesen.
Was seinerzeit in den 90er Jahren gegen die Kurden eingesetzt wurde, wird heute auf die Gülen-Bewegung projiziert. Erpressung von Unternehmern, die als Gülen-nah eingestuft werden und in entsprechenden Listen vorkommen, gehört zum traurigen Standard. Zwar gibt es in zahlreichen Fällen entsprechende Klageverfahren. Doch bei den ganz großen Unternehmern sieht die Lage deutlich anders aus.
Seit einiger Zeit war auch der Druck auf Gurbanov immer weiter gestiegen. Die Forderung war klar. Er sollte seine begehrte Erdgasimport-Befugnis abtreten. Dieses Milliardengeschäft von Gurbanov wurde seit längerem vom aserbaidschanisch-türkischen Energiekonzern SOCAR umworben. Derweil versuchte Gurbanov seinen Yachthafen in Yalıkavak vor Mehmet Ağar zu retten. Auf der anderen Seite lief sein Rechtsstreit mit SOCAR.
Genau in dieser heißen Phase wurde Gurbanov damit beschuldigt, Mitglied der Gülen-Bewegung zu sein und schließlich verhaftet. Wie in zahlreichen anderen Fällen auch droht auch Gurbanov der Totalverlust. Denn in dieser Situation geht der türkische Staat seit dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 so vor: Das gesamte Vermögen wird eingefroren und mit allen Rechten an den Staat übertragen.
SOCAR und die Erdoğan-Familie haben ein enges Verhältnis. So wäre es keine Überraschung, wenn nach Gurbanovs Verhaftung seine begehrte Erdgas-Lizenz zunächst an den türkischen Staat und anschließend an SOCAR übertragen wird.
Mehmet Ağar hat immer noch eine relevante Macht in der Polizeibehörde. Erdoğan hingegen verfügt über grenzenlose Macht in den Staatsanwaltschaften und Gerichten. Die Kooperation von Erdoğan und Ağar beim Prozess der Verhaftung Gurbanovs fällt auf. Jetzt bleibt noch die Frage offen, wie Erdoğan und Ağar das Vermögen von Gurbanov untereinander aufteilen werden.