Die HDP ist weiter unter Druck. Weil sich die Partei unter anderem für die Rechte der Kurden einsetzt, ist sie den Repressalien des Erdoğan-Regimes ausgesetzt. So ist es der Partei kaum noch möglich Politik zu betreiben. Derzeit wird die Diskussion geführt, ob sich die Partei aus allen Stadtverwaltungen und aus dem Parlament zurückziehen sollte.
BOLD — Die HDP ist die einzige Partei der Türkei, die die Rechte der Kurden verteidigt. Aus diesem Grund ist sie die Zielscheibe des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dessen ultranationalistischen Koalitionspartners MHP.
Dabei hatte die HDP gerade bei den letzten Kommunalwahlen große Erfolge in den kurdischen Gebieten gefeiert. Doch nur kurze Zeit später wurden 20 HDP Bürgermeister aus ihren Ämtern gerissen und durch Zwangsverwalter ersetzt.
Auf der einen Seite wird diskutiert, dass die HDP nicht genügend dagegen vorgegangen ist. Auf der anderen Seite ist die Diskussion losgetreten, ob sich die HDP vielleicht ganz aus dem Parlament zurückziehen sollte. Der erfahrenen HDP Politiker Sırrı Sakık hat den Vorschlag eingebracht, aus den Stadtverwaltungen zurückzutreten. Die kurdische Aktivistin Eren Keskin hingegen hat vorgeschlagen aus dem nationalen Parlament auszutreten.
HDP seit Verhaftung gelähmt
Die Partei hat scheinbar noch keine Marschroute festgelegt. Diese Situation setzt sich eigentlich seit der Verhaftung des charismatischen ehemaligen HDP-Vorsitzenden Selahattin Demirtaş fort. Seither scheint die HDP eine gelähmte Partei zu sein. Die schrittweise Inhaftierung der erfahrenen HDP-Politiker könnte ein Grund sein, weshalb die Partei handlungsunfähig wirkt.
Bereits vor den Kommunalwahlen im März 2019 wurden 96 HDP Bürgermeister auf Anordnung des Innenministeriums aus ihren Ämtern gerissen. Die Partei hat genau in diesen betroffenen Städten bei den Wahlen im März 2019 wieder gewonnen. Doch in 20 Städten, darunter auch die Großstädte Mardin und Diyarbakir, wurden erneut die HDP Bürgermeister abgesetzt.
Die Kurden diskutieren derzeit die Frage, ob die HDP der reihenweise Zwangsverwaltung einfach tatenlos zusehen wird, oder ob es zu einem radikalen Schritt kommen könnte. Die Partei hat in dieser Hinsicht noch keine sichtbare Politik entwickelt. Doch in Umfragen in drei Großstädten sagen vor allem die jungen Leute, dass es an der Zeit ist, gegen diese Zwangsverwaltungen eine radikale Art an den Tag zu legen.
Das Meinungsforschungsinstitut “Sosyo Politik” hat zwischen dem 8. und 10. November in den drei mehrheitlich von Kurden bewohnten Städten Diyarbakır, Van und Mardin Umfragen durchgeführt.
Auf die Frage, ob sie die Zwangsverwaltungen unterstützen, antworteten 81,3 Prozent mit Nein und nur 9,5 Prozent mit Ja. Ob die Befragten die Reaktionen der HDP für ausreichend halten, antworteten 62,5 Prozent ablehnend.
„HDP muss radikale Maßnahmen ergreifen“
Auf die Frage, was die HDP gegen die Zwangsverwaltung unternehmen soll, antworteten 36 Prozent: „Gemeinsam mit dem kurdischen Volk die Errungenschaften verteidigend, radikale Maßnahmen ergreifen“. 11,6 Prozent der Befragten antworteten mit, „Keine Ahnung“, 10,8 Prozent mit, „Sie sollen sich aus dem Parlament und aus allen Stadtverwaltungen zurückziehen, 9,2 mit, „Die HDP muss sich einer weiten Selbstkritik unterziehen“, 5,7 Prozent mit „Sie müssen den Spalt zu der Bevölkerung wieder schließen“, 4,1 Prozent mit, „Sie müssen Rechtsschritte einleiten, 2,4 Prozent mit, „Sie sollen sich mit den anderen Parteien gegen die Zwangsverwaltungen verbünden“ und nur 1 Prozent mit, „Ich habe keinerlei Erwartung von der HDP“.
Unter denen, die die Leistung der HDP bezüglich der Zwangsverwaltungen mangelhaft empfinden, sind die meisten eher jung. 70,6 Prozent der Umfrageteilnehmer mit einem Universitätsabschluss finden die Leistung der HDP für nicht ausreichend.