Rahman Gün und seine Familie hatten in Deutschland Asyl beantragt. Doch für die türkische Familie wurde eine Zurückführung angeordnet. Rahman Gün ist sich sicher: „Wenn ich abgeschoben werde, werden sie mich festnehmen“. Die Polizei hat die Wohnung von Familie Gün aufgesucht. Nun erhebt die Familie Vorwürfe gegen die Polizei. Ehefrau Gün musste infolge dessen ins Krankenhaus gebracht werden.
BOLD — Im März 2018 kamen Rahman Gün und seine Familie nach Deutschland. Wie viele andere Türken und Kurden beantragten sie politisches Asyl. Gün war Arbeiter im größten türkischen Öl-Konzern PETKIM. Doch im Asylverfahren der Familie Gün kam es zu einer ungewöhnlichen Entscheidung. Die Familie soll zurückgeführt werden. Dabei geht Rahman Gün seit seiner Ankunft in Deutschland einer Beschäftigung nach und musste keinerlei soziale Unterstützung beziehen. Er konnte für sich und seine Familie selbst sorgen. Um nicht in die Türkei abgeschoben zu werden, hatte Gün sogar in Afrika eine neue Arbeit gefunden. Dennoch wollte man die Familie abschieben. Der Familienvater ist sich sicher, „Wenn ich abgeschoben werde, werden sie mich festnehmen“.
Am Morgen des 15. November kamen 8 Polizisten aus Merseburg in Sachsen Anhalt und gelangten mit Schlüssel in die Wohnung der Familie Gün. Die Polizei kam scheinbar für eine spontane Zurückführung der Familie, samt Vater Rahman Gün, Mutter Ayşe Hilal Gün und ihre beiden Kinder.
Der Elektro-Techniker Rahman Gün kam nach Deutschland, weil er Beziehungen zur Gülen-Bewegung hat. Deshalb sei er in der Türkei in Gefahr. Zudem habe seine Frau Ayşe Hilal Gün als Lehrerin an einer Schule gearbeitet, die zur Gülen-Bewegung gehört.
Die Familie Gün erhebt schwere Vorwürfe gegen die Polizisten. Die unter Panik-Attacke leidende Ayşe Hilal Gün, sei aus Angst zusammengebrochen und habe im Gezerre ihren Kopf auf den Boden gestoßen. Infolgedessen musste die Lehrerin mit einem Krankenwagen ins Krankenhaus gebracht werden, wo sie auf ärztliche Anordnung erstmal bleiben musste. Sie wird derzeit immer noch im Krankenhaus behandelt.
Familie Gün beklagt das Vorgehen der Polizei. Obwohl sie eine Frist bis zum 10. Dezember bekommen hatten, das Land selbstständig zu verlassen, wollte man die Familie samt Kinder abschieben. Dabei hatte Rahman Gün sogar Arbeit in Afrika gefunden und war bereit, von sich aus das Land zu verlassen. Warum sie trotzdem in die Türkei abgeschoben werden sollen, wo ihnen die Haft sicher ist, bleibt weiterhin offen.
Rahman Gün in eigenen Worten über den Ablauf des Ereignisses:
„Im März 2018 kamen wir in Deutschland an. Hier habe ich dann angefangen zu arbeiten. Ich konnte für uns sorgen. Im August bekamen wir dann überraschend einen Ablehnungsbescheid vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Ich habe dagegen widersprochen und das Gericht hat nach nur einer Woche meinen Widerspruch abgelehnt. Wir sind in Berufung gegangen. Am 17. Oktober haben wir auch dort eine Ablehnung erhalten. Also war unsere Abschiebung in die Türkei beschlossene Sache.
Für eine Lösung, wurde mir empfohlen, sollte ich einen Ausbildungsplatz finden. Doch wegen fehlenden Deutschkenntnissen habe ich keinen Platz bekommen. Zuletzt hatte man uns eine Frist bis zum 10. Dezember erteilt. Doch obwohl wir noch Zeit hatten, kamen 8 Polizisten zu uns und sagten: „Wir werden euch zurück in die Türkei schicken“.
„Sie haben den Kopf meiner Frau zu Boden gestoßen“
Als die Polizei eintraf, ging es meiner Frau sehr schlecht. Sie leidet an Panik-Attacken. Die Polizisten haben uns voneinander getrennt. Meine Frau ist zu Boden gefallen. Sie wollte zu den Kindern gehen, doch die Polizei hat das nicht erlaubt. Als meine Frau dann plötzlich enorm geschrien hat, bin ich zu ihr gegangen. Als sie bereits auf dem Boden lag, stieß sie ihren Kopf wegen des Gezerres. Danach habe ich einen Krankenwagen gerufen. Sie wurde dort in ein Krankenhaus gebracht. Die Ärzte haben entschieden, dass sie noch da bleiben muss. Sie ist immer noch im Krankenhaus.
„Wenn ich in die Türkei gehe, nehmen sie mich fest“
Wenn sie mich in die Türkei zurückschicken, werde ich sicher festgenommen. In meiner Ermittlungsakte ist zu erkennen, dass meine Telefongespräche vom Gericht erst neu einbestellt wurden.
Ich habe in der Türkei bei PETKIM gearbeitet. Ungefähr 15 meiner Kollegen wurden im Januar 2018 wegen angeblicher Zugehörigkeit zur Gülen-Bewegung festgenommen. Ich stand unter enormen Druck, da man wusste, dass ich auch bei der Gülen-Bewegung war.
Weil ich oft in der Nachtschicht gearbeitet habe, war meine Frau häufig alleine zu Hause. Da die Polizei in der Türkei oft in der Nacht kam, war ich in ständiger Angst. Wegen dieser andauernden Warterei hat meine Frau Panik-Attacken bekommen. Sie wurde deswegen in behandelt und bekam Medikamente.
Meine in der Türkei festgenommenen Freunde hatten im Februar ihre Gerichtstermine. Als ich gehört habe, dass im Gericht auch mein Name gefallen war, da wusste ich, bald bin auch ich dran.
Ich habe danach sofort beschlossen, mit meiner ganzen Familie ins Ausland zu gehen und wir sind in Deutschland angekommen. Ursprünglich wollte ich nach Kanada. Denn dort können Menschen aus meinem Berufsfeld ganz leicht eine Arbeit finden. Doch weil die Zeit so knapp war und ich nicht mehr auf ein Visum warten konnte, sind wir nach Deutschland gekommen.
Um nicht in die Türkei abgeschoben zu werden in Afrika Arbeit gefunden
Um nicht in die Türkei abgeschoben zu werden, um nicht ins Gefängnis zu müssen, habe ich sogar in Afrika Arbeit gefunden. Auch dorthin darf ich nicht. Ich habe alle Belege für meine Arbeit in Afrika eingereicht. Ich habe eine Frist bis zum 10. Dezember diesen Jahres. Bis zu diesem Datum kann ich in Deutschland bleiben. Man hätte mir zumindest die Gelegenheit geben können, in das afrikanische Land zu reisen, wo mir eine Arbeit zugesichert wurde. Ich kann einfach nicht begreifen, warum sie mich deportieren wollen, obwohl meine Festnahme dort sicher ist.“