Erneut wurden im Rahmen von Ermittlungen für Terrorismusbekämpfung Menschen in der Türkei verhaftet. Diesmal handelt es sich um ehemalige Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes. Der Anwalt eines Betroffenen hat sich nun an die Öffentlichkeit gewandt. Es gibt wieder einmal Foltervorwürfe.
Cevheri Güven
BOLD
Die Türkei setzt ihre Maßnahmen gegen Kritiker fort. Nach Informationen der türkischen Regierung sind am gestrigen Mittwoch ehemalige Mitarbeiter des Ministerpräsidentenamts verhaftet worden. Insgesamt sollen 27 Personen betroffen sein. H.Ç. ist einer davon. Er gehört zu den verhafteten Personen und soll laut offizieller Erklärung ehemaliger Mitarbeiter des Ministerpräsidentenamts gewesen sein. Doch bezüglich der offiziellen Erklärung Regierung werden kommen nun Zweifel auf. Die Erklärung soll nicht der Wahrheit entsprechen, schreiben regierungskritische Medien. Insgesamt seien 18 ehemalige Mitarbeiter des MIT festgenommen worden. Ihnen werde Mitgliedschaft in der Gülen-Bewegung vorgeworfen.
Auch H.Ç. gehört zu diesem Kreis. die zugleich als seine Anwältin tätig ist.
Die Ehefrau von H.Ç., die zugleich seine Anwältin ist, wirft den Behörden die Anwendung von Folter vor. Das habe sie in einem Gespräch mit ihrem Mann festgestellt. Als Anwältin durfte sie ihren Mann in der Untersuchungshaft treffen. Dort habe sie erfahren, dass man ihn am ersten Tag der Untersuchungshaft beleidigt und ihm gedroht habe. Außerdem sei psychologische Folter angewandt worden. So habe man beispielsweise mehrere Flaschen aufgestellt und sie wissen lassen, dass man diese für die verhafteten vorbereitet hätte, um sie zu einem späteren Zeitpunkt zu vergewaltigen.
“Er hatte Angst und Panik”
Die Anwältin hat H.Ç. nach eigenen Angaben bereits zweial in der Untersuchungshaft besucht. Während beim ersten Besuch noch alles normal gewesen sei, sei sie beim zweiten Besuch, also nach dem Verhör in der Nacht, auf einen verängstigten und panischen Mann gestoßen.
H.Ç. sei im Ausnahmezustand per Dekret entlassen worden. Ermittlungen gegen den Beamten habe es aber nie gegeben. Sie habe ihren Mann nicht in entspannter und freier Umgebung sprechen können. “Normalerweise gibt es in Räumen, in denen Anwälte ihre Mandanten treffen, keine Kameras. Doch in dem Dezernat für Terrorismusbekämpfung der Polizei in Ankara war das anders. Zwei Wände waren komplett verglast. Die Geräusche von außen sind in unseren Raum eingedrungen. Also musste auch unsere Stimme nach Außen gelangen”, erzählt die Frau in Doppelfunktion. Ihr Mann und alle weiteren Inhaftierten hätte man zweimal für jeweils 30 Minuten verhört. Sie seien permanent bedroht und beschimpft worden, sagt die Anwältin. “Man habe sie über ihre Ehefrauen bedroht. Diesbezüglich wollte er keine Details preisgeben. Ich glaube, diese Dinge haben ihn besonders verletzt”, erzählt sie weiter.
“Wir können euch auch ohne Festnahmebefehl schnappen”
Sie seien herumgeschubst, aber bislang noch nicht geschlagen worden. Doch auch psychischer Druck sei ausgeübt worden. Mit Sätzen wie, “Man würde sie auch ohne einen Festnahmebefehl schnappen”, “Pass lieber auf was du sagst!” und “Wir werden uns wiedersehen!”, hätte man sie eingeschüchtert. Die Ehefrau und Anwältin ist besorgt bezüglich der Behandlung gegenüber ihrem Mann.
Anwaltskammer von Ankara will erneut beobachten
Keine unbegründete Sorge. Denn auch ehemalige Bedienstete des Außenministerium sollen laut einem Bericht der Anwaltskammer von Ankara noch in diesem Jahr verhaftet und schwer gefoltert worden sein. Im Fall der inhaftierten ehemaligen Geheimdienstmitarbeiter will die Anwaltskammer von Ankara ermitteln und mit den Betroffenen sprechen. Dazu sei die Menschenrechtskommission der Kammer beauftragt worden. Bis heute wurden die Mitarbeiter des Außenministeriums nicht freigelassen und sitzen hinter Gittern.
18 Personen in Untersuchungshaft
Ursprünglich war die Rede von 27 ehemaligen Mitarbeitern vom Amt des Ministerpräsidenten. Doch es stellte sich heraus, dass es sich um 18 ehemalige Mitarbeiter des türkischen Geheimdienstes MIT handelt, die im Ausnahmezustand per Dekret entlassen worden waren. Der Vorwurf lautet wie so oft, Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation. Für die Verurteilung ehemaliger MIT-Mitarbeiter wurde das 34. Strafgericht von Ankara gegründet. Juristen kritisieren, dass Gerichte gegründet werden, um unterschiedliche Berufsgruppen gesondert zu verurteilen. Auch die im Februar 2019 entführten und mehrere Monate gefolterten sechs Personen werden vor diesem Gericht verurteilt.