Die Straflosigkeit von Folter und Misshandlung gehört mittlerweile fest zum Portfolio des türkischen Staates. Der Aufstieg eines Polizeidirektors, der wegen Mord durch Folter verurteilt wurde, ist nur ein weiterer Beleg dafür.
BOLD – Oktay Kapsız war Polizeidirektor in Istanbul, als sich im Jahre 2009 ein schwerer Raub ereignete. In Istanbul Laleli wurde in einem spektakulären Diebstahl 1.2 Millionen Dollar entwendet. Die Polizeieinheit, die den Raub aufklären sollte, wurde durch Kapsız koordiniert. Bei einer Operation wurden 29 mutmaßliche Täter festgenommen. Einer der Verdächtigen war Murat Konuş. Später starb dieser an den Verletzungen nach schwerer Folter in Untersuchungshaft.
Urteil Lebenslang und trotzdem frei
Mit Kapsız zusammen mussten sich in dem Fall drei weitere Polizeibeamte vor Gericht verteidigen. Ein Richter im zweiten Strafgericht von Istanbul verurteilte im vergangenen Juli alle vier Beamte. Oktay Kapsız, Ramazan Adıgüzel, Murat Ertürk und Abdülcelil Karadağ wurden wegen fahrlässiger Tötung durch Folter zu erschwerter lebenslanger Haft verurteilt. Doch verhaftet wurden die Beamten nicht. Das Strafmaß wurde zunächst zu lebenslanger Haft gemindert. Das urteilende Gericht hat keine Verhaftung der Täter angeordnet.
Folter wird nicht bestraft
In der Türkei gab es äußerst wenige Fälle, in denen Polizeibeamte oder Soldaten wegen Folter bestraft wurden. Doch die Erdoğan-Regierung hat die Folter de facto zu einer straffreien Tat gemacht. Das zeigt auch der aktuelle Fall von Konuş. Der Polizeidirektor Oktay Kapsız, der wegen Folter zu lebenslanger Haftstrafe verurteilt wurde, darf heute weiterhin seiner Tätigkeit unbescholten nachgehen. Und nicht nur das. Nach dem Vorfall hat der Polizeidirektor sogar eine kleine “Belohnung” bekommen, in dem er aus einem Krisengebiet im Osten der Türkei nach Muğla, also in eines der schönsten Urlaubsregionen der Türkei, versetzt worden ist.
Die Begründung dafür, warum Kapsız weiterhin seiner Tätigkeit als Polizeidirektor nachgehen kann, ist äußerst kurios. Demnach sei Kapsız gegen das Urteil in Berufung gegangen. Somit sei seine Strafe noch nicht wirksam, hieß es zur Begründung.
Anwalt der Familie beschwert sich
Nuri Köse ist Anwalt der Familie Konuş. Der Jurist beschwerte sich über diese Situation. Der Tod von Murat Konuş wegen der Folter von Polizeibeamten sei durch Kameraaufnahmen, Zeugenaussagen und dem Obduktionsbericht mehrfach belegt worden. “Obwohl die Schuld so offensichtlich ist, werden die vier Täter, die eine lebenslängliche Haftstrafe bekommen haben, nicht verhaftet und dürfen weiterarbeiten. Das zeigt, dass der Strafprozess nicht gerecht ist.”