Selahattin Demirtaş gehört zu den populärsten Politikern in der Türkei. Der kurdische Politiker war Co-Vorsitzender der prokurdischen HDP, ist aber seit drei Jahren inhaftiert. Experten sehen Selahattin Demirtaş als einer der wichtigsten Herausforderer des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan. Während seiner Zeit in Haft schreibt Demirtaş gerne. Die Texte von Demirtaş sind derzeit ins Visier der türkischen Regierung geraten. So auch sein aktuelles Buch “Devran”. Über “Devran” gab es kürzlich eine Theateraufführung. Bereits bei der ersten Aufführung gab es überraschenderweise eine hohe Besucherzahl. Doch nicht nur die Quantität der Besucher war auffällig. Vielmehr war interessant zu sehen, wie wichtige Persönlichkeiten aus unterschiedlichen politischen Gesinnungen die Aufführung besuchten. So beispielsweise Selvi Kılıçdaroğlu, die Ehefrau des Parteivorsitzenden der CHP, Kemal Kılıçdaroğlu. Auch die Ehefrau des Oppositionsbürgermeisters Ekrem İmamoğlu war unter den Gästen zu sehen.
Kadir İnanırs Teilnahme sorgt für Aufsehen
Aus der künstlerischen Seite nahm der beliebte kurdische Schauspieler und Kultfigur Kadir İnanır teil. Viele hielten die Teilnahme İnanırs für sehr gewagt, da die Regierung um den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan schon lange Druck auf die Künstlerszene ausübt. In diesem Zusammenhang wurden Aufführungen von regierungskritischen Künstlern seitens des Staates verboten. Als Grund werden Sicherheitsbedenken angegeben. Teilweise werden staatliche Säle den jeweiligen Künstlern nicht mehr zur Verfügung gestellt. Diese Künstler bekommen meist auch keine Aufträge in Fernsehserien, weil Produzenten Einschnitte bei Werbegeldern zu befürchten haben.
In diesem Klima ist der Aufruhr um die Teilnahme Kadir İnanırs nicht ungewähnlich. Selbst die Aufmerksamkeit des türkischen Innenministers Süleyman Soylu hat İnanır auf sich gezogen. Der ultra-nationalistische Solyu kritisierte den Schauspieler scharf. “Ihr könnt das Blut an euren Händen nicht mit Theaterspielen säubern. Ihr könnte dieses Volk auch nicht reinlegen. Ihr könnt dieses Land nicht zerteilen. Ihr werdet den Frieden in der Türkei mit Einflüsterungen aus dem Ausland nicht zerstören könne”, so Soylu. Die Türkei habe sich verändert. Die alte Türke existiere nicht mehri.
Künstlerszene schweigt
Die Anfeindungen des Innenministers haben in der Künstlerszene nur wenige Reaktionen hervorgerufen. Das zeigt, wie sehr der Druck auf den Künstlern lastet. Auch Vereine und andere Organisationen übten sich in Stillschweigen.
Der einzige, der etwas zum Thema sagte, war Halil Ergün. Ergün ist eine der älteren Schauspieler des Landes. “Kadir Inanır ist der Stolz dieser Gesellschaft und der Kunst”, sagte Ergün über den ehemaligen Frauenschwarm türkischer Leinwände. Der beliebte Schauspieler sagte weiter: “Inanır hat bei gesellschaftlichen Problemen dieses Landes immer Verantwortung übernommen. Wie könnt ihr ihn so zur Zielscheibe machen? Das ist erschreckend. Was sollen die Menschen tun? Sollen sie nicht leben? Demirtaş war Kandidat für das Präsidialamt diesen Landes. Er hat ein Buch während seiner Haft geschrieben. Darauf müsste der Minister eigentlich stolz sein. Aber stattdessen greift er ihn an.”
Demirtaş fiel zuletzt im Gefängnis in Ohnmacht und erst nach mehreren Tagen wurde er zum Arzt gebracht. Nach wie vor wirft dieser Vorgang ernsthafte Fragen auf. Bei seiner letzten Anhörung vor Gericht sagte Demirtaş, dass Erdoğan in der Türkei einen Parallelstaat aufbaut. “Nicht jeder in diesem Gerichtssaal ist für den Zweck einer Verurteilung anwesend. Ich bin heute kein Angeklagter, meine Anwälte keine Verteidiger und Sie sind keine Richter. Wir sind hier um die politischen Interessen von Tayyip Erdoğan zu verwirklichen. Wir alle sind hier, damit sein Weg sich ebnet. Seine politischen Ziele sollen Wirklichkeit werden. Dazu muss die Opposition gesäubert werden. Dies ist nur ein weiterer Schritt für diesen Zweck”, so der charismatische Kurdenführer vor Gericht.