“Halkın Hukuk Bürosu” ist eine türkische Anwalts-Vereingung, die sich seit 1989 für die Rechte der Bürger einsetzt. Jetzt hat die Organisation ein Video über Opfer einer staatlichen Entführungsaktion veröffentlicht. Darin erzählen die Gepeinigten von der schweren Folter durch Polizisten.
BOLD – Drei Personen, zu unterschiedlichen Zeitpunkten entführt. Alle drei im Gazi-Viertel ihrer Freiheit beraubt. Sie wurden zu dritt im Polizeirevier im Gazi-Viertel gefoltert. Die Anwältin Seda Şaraldı von der Anwalts-Vereinigung “Halkın Hukuk Bürosu” behauptet, dass das die Peiniger die Opfer bewusst verkrüppeln wollten. Das erkenne man an den angewandten Foltermethoden. Einem sei sogar die Wirbelsäule gebrochen worden.
Entführung mit einem weißen Van
In einem Videobeitrag geben die Entführten ausführliche Einblicke von ihren schrecklichen Erlebnissen. Deniz Aydın, eine gefolterte Frau, erzählt den Ablauf so:
“Am 5. Januar wurden wir im Gazi-Viertel in U-Haft genommen. Sie hatten einen großen weißen Van. Sie haben plötzlich unseren Weg gekreuzt und uns ohne jegliche Erklärung ins Fahrzeug gesteckt. Sofort haben sie auf uns eingeschlagen. Die Handschellen an unsere Hände haben sie am Rücken angelegt. Dann wollten sie unsere Arme verletzen und haben entsprechenden Druck ausgeübt. Als wir im Polizeirevier ankamen haben sie gebrüllt, dass sie uns alle Knochen brechen würden, wenn wir nicht aussteigen. Aber wir sind aus den unbekannten Fahrzeugen nicht ausgestiegen. Dann haben sie uns ganze drei Etagen im Gebäude nach oben gezerrt. Dort gab es eine Abtrennung mit einer Stahltür und einer Klingel dran. Darin haben sie uns, gefesselt und mit angesicht zu Boden, geprügelt. Im Raum waren 15-20 Personen. Wir durften sie nicht ansehen. Wenn wir unser Gesicht gedreht haben, traten sie sofort mit ihren Stiefeln auf unsere Köpfe.
Systematische Folter wie in den 80er, 90er Jahren
Danach begann die systematische Folter. Dabei wusste keiner von uns, warum wir überhaupt da sind. In Gazi gibt es eine alte Folter-Tradition aus den 80er und 90er Jahren. Das wollen sie wieder zurückbringen, damit sich niemand mehr zu etwas traut.
Nach den Schlägen mit Händen und Füßen schlugen sie mit Schlagstöcken. Sie sprachen untereinander. Die schmerzlichste Stellen seien die Waden. Deshalb schlugen sie auf unsere Waden ein. Das hat ihnen regelrecht Freude bereitet. Dass Menschen dabei Spaß empfinden, ist einfach unfassbar.
Wir waren vier Stunden dort und sie haben immer neue Methoden angewandt. Einer sagte, dass er an diesem Tag noch keine sportliche Betätigung hatte, aber uns zu schlagen sei sein sportlicher Ersatz. Als er schließlich zu müde war, ist er gegangen. Ein anderer kam. Er hat im Sitzen auf meinen Rücken eingeschlagen. Daneben schlug er immer wieder auf die Nierenzonen. Es gibt wohl einen Nierenschlag. Das verursacht innerliche Schmerzen. Unvorstellbare Schmerzen. Beleidigungen neben der Folter gehörten ohnehin zum Standard. Die brauche ich wohl gar nicht erwähnen.
“Querschnittslähmung war ihr Ziel”
Sie haben mit den Enden vom Schlagstock auf unsere Wirbelknochen geschlagen. Um die Wirbelsäulen zu brechen. Sie sagten, lass uns aus ihnen Querschnittsgelähmte machen. Sie tauschten sich über die schlimmsten Stellen aus.
Uns hätte eine Polizistin auf gefährliche Gegenstände überprüfen müssen. Doch es waren nur Männer anwesend. Ein Polizist hat uns überprüft. Schließlich riefen sie eine Frau, damit sie das Protokoll unterzeichnet. Währenddessen sagten sie die Namen von unterschiedlichen Personen auf und behaupteten, dass diese irgendwelche Aussagen gemacht hätten. Ziel war es uns zu verunsichern und gegeneinander aufzustacheln.
Vier Stunden lang durften wir nicht aufstehen. Im Krankenhaus brüllten sie, “Das sind Terroristen”. Wir wussten immer noch nicht, warum wir verhaftet wurden. Dennoch wurden wir inmitten der Bevölkerung diffamiert. Danach sagten sie im Krankenhaus, dass die Zeit der weißen Toros Fahrzeuge vorbei sei. Jetzt gebe es weiße Transits. Sie haben sehr deutlich gemacht, dass sie die Entführungs- und Folterpraktiken der berüchtigten weißen Toros Fahrzeuge wieder einführen werden.”
“Meine Wirbelsäule ist gebrochen”
Vedat Doğan gehört ebenfalls zu den Folteropfern. Auch er ist nach eigenen Angaben am 15. Oktober entführt worden. Doğan behauptet, dass durch die Folter seine Wirbelsäule gebrochen sei. Das habe man aber im Krankenhaus vertuschen wollen. Durch den Bruch müsse er seit mehreren Monaten ein Stahlkorsett tragen. “Ich wurde im Gazi-Viertel mit einem weißen Transit entführt. Nach einem Schlag auf meinen Rücken hat man mir Handschellen angelegt und ins Fahrzeug gezerrt”, schildert Doğan. Dabei sei ihm auch die Wirbelsäule gebrochen worden. Dann habe er Fäuste ins Gesicht bekommen. Auch seine zwei Freunde seien Folter ausgesetzt worden. Auf der Polizeiwache soll die Folter dann fortgesetzt worden sein. Vedat Doğan schildert den Ablauf so: “Auf der Polizeiwache hat man uns in einen Saal gezerrt. Dort haben wir von zehn Zivilbeamten Prügel bekommen. Anschließend haben sie uns vor die Wand gestellt. Ich habe ihnen gesagt, dass meine Wirbelsäule gebrochen ist. Trotzdem haben Sie meine Leber und sensible Stellen meines Körpers zerdrückt. Sie haben versucht, mir dadurch wehzutun. Einer versuchte seine Schuhe in meinen Mund zu stecken. Einer hat an meinen Haaren gezogen und mir damit gedroht, die Zigarette auf meinem Auge auszulöschen. Sie haben gesagt, dass sie die `Könige` im Gazi-Viertel seien und all das, was passiert sei, nur eine Art Vorspann gewesen ist. Falls ich wieder im Gazi-Viertel auftauche, würden sie mich erschießen.”
Doğan glaubt, dass man versuche, ihn und seine Freunde von der Arbeit abzuhalten. Er arbeite gegen den Drogenhandel im Gazi-Viertel. Die Polizei lasse den Drogenhandel zu.
Als Doğan ins Krankenhaus gebracht wurde, hätten die Polizeibeamten noch vor der Behandlung mit dem Arzt gesprochen und dafür gesorgt, dass der Arzt die Brüche nicht in den Bericht aufnimmt. “Ich habe die Foltervorfälle der Staatsanwaltschaft mitgeteilt. Aber der Staatsanwalt hat all das ignoriert. Er hat mich ständig gefragt, ob ich Mitglied einer verbotenen Organisation sei”, schildert Doğan.
“Sie wurden für Folter ausgebildet”
Taylan Gültekin ist nach eigenen Aussagen ein weiteres Folteropfer. Er behauptet, dass die Folter, die ihm auf der Polizeiwache “Gazi” widerfahren sein soll, sich auf dem Polizeipräsidium “Vatan” fortgesetzt haben: “Die Folter hat schon angefangen, als ich festgenommen wurde. Mit Tritten, Fäusten und Schlagstock hat man versucht mir Knochen zu brechen.” Man habe auch versucht innere Organen zu beschädigen, behauptet Gültekin: “Sie wurden zum Foltern ausgebildet”.