Über 160 Journalisten sitzen in der Türkei im Gefängnis. Viele von Ihnen sind seit vier Jahren im Gefängnis und tauchen in keiner Liste auf. Jetzt sind die Vertreter für Anatolien der Zeitung „Zaman“ und Mitarbeiter der Nachrichtenagentur „Cihan Haber Ajansı“ CHA erstmals registriert worden.
Die Zeitung Zaman und die Nachrichtenagnetur Cihan Haber Ajansı hatten früher in fast allen Städten in der Türkei Vertreter. Nach dem Putschversuch wurden auch sie festgenommen , weil sie dort arbeiteten und wurden wegen „Mitgliedschaft in einer Terrororganisation“ verurteilt. Die Schicksale der Regionaljournalisten wurden seither von ihren Kollegen öffentlich gemacht. Aber es gibt auch viele Journalisten in den Gefängnissen über deren Verbleib bislang niemand etwas wusste.
Biz sana kısaca TEMSİLCİ diyorduk;
GAZETE TEMSİLCİSİ..
İl il, ilçe ilçe, ülkemin en tenha yerlerinin habere konu olan tüm sorunlarının
TEMSİLCİSİ..Ama şimdi sen bir süreliğine
Yoksun-Rehinsin-Mahpussun..
Ama şunu bilki TEMSİLCİM
Sen hep;
KALBİMİZDESİN
DUALARIMIZDASIN.. pic.twitter.com/D5va0QWOoG— INGO MEDIA INITIATIVE (@IngoMedia) May 1, 2020
Jetzt hat die Social Media Plattform „Ingo Media Initiative“ ein Video zu den inhaftierten ehemaligen Mitarbeitern der Zaman und der Cihan Haber Ajansı zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai veröffentlicht. Darin wird unter anderem darauf aufmerksam gemacht, dass 26 Regionaljournalisten alleine der Zeitung Zaman hinter Gittern sind. Ihre Namen sind:
Mehmet Ariaslan (Amasya), Şükrü Tunçdemir (Antalya), Yusuf İpek (Aydın), Faruk Akgün (Balıkesir), Haydar Tatlı (Bayburt), Ahmet Kuzuoğlu (Bilecik), Emrullah Sarı (Bolu), Nazif Koz (Çanakkale), Öner Erek (Çorum), Adem Yaşar (Çorlu), Beytullah Özdemir (Düzce), Erdal Erçıktı (Ege), Mehmet Özbek (Edirne), M. Şahin Fidan, Ziya Tek (İzmir), Abdülkadir Akyel (Edirne), Recai Özkaynak, Fahri Öztoprak (Erzurum), Mustafa Bektaş (Kocaeli), Necati Bulut (İstanbul), Murat Şimşek (Şanlıurfa), Mevlüt Öztaş (Uşak), Fikret Altıalay (Sakarya), Muhyettin Avcı (Samsun), Sebahattin Gürbüz (Yalova), Abdülhamit Çalış, Mesut Mercan (Afyon) ve Abdullah Özyurt (Adana)
Der in dem Video genannte Journalist Öner Erek wurde kürzlich aus der Haft entlassen.
Journalist Abdullah Özyurt wurde zwei Mal festgenommen
Der im Exil lebende ehemalige Vertreter der Zaman in Adana hat über das Schicksal von Abdullah Özyurt geschrieben. Vier Tage nach dem Putschversuch vom 15. Juli 2016 brach die Polizei die Wohnungstür des Journalisten auf und nahmen ihn fest. Özyurt wurde zu sieben Jahren und sechs Monaten Gefängnis verurteilt, wurde aber nach 2 Jahren aus der Haft entlassen. Um seine Familie zu ernähren hatte der Mann auf den angefangen auf den Wochenmärkten zu arbeiten. Er hatte nach seiner auch seinen Freund und Kollegen Aytekin Gezici im Gefängnis von Hatay unterstützt. Er hatte ihn im Gefängnis besucht und ihm seine Lieblingsbücher mitgebracht. Vor sechs Monaten wurde erneut festgenommen. Diesmal lautete der Vorwurf „Neugründung einer Terrororganisation.“ Als er Wochenmarkt nach Hause ging, haben ihn Polizisten erneut mitgenommen. Abdullah Özyurt ist seither im Gefängnis von Adana Kürkçüler inhaftiert. Er ist unter seinen Kollegen vor allem für seine Bescheidenheit bekannt.
Bilal Öğütçü beschreibt seinen Kollegen, mit dem sieben Jahren lang zusammengearbeitet hat, folgendermaßen:
„Abdullah ist aus Hatay. Als er an der Atatürk Universität in Erzurum studiert hat wurde er auf den Beruf neugierig und fing erfolgreich als Reporter an. Als Reporter für Zaman gibt es in seiner Heimat kein Fleckchen Erde, dass er noch nicht betreten hat. Auch vor dem Krieg hatte er von der Grenze zu Syrien berichtet. Immer wenn er eine interessante Geschichte gefunden hat, ging er der Sache nach. Es war für ihn n icht wichtig, dass manche Geschichten auch ihn lebensgefahr gebracht haben. Vor etwa 20 Jahren hatte er mit seinem Motorrad einen schweren Unfall gehabt, als er für eine Geschichte recherchiert hat. Er hat immer noch Spuren dieses Unfalls an seinem Körper. Er war monatelang im Krankenhaus und musste einige Male operiert werden. Nur die Platinen in seinen Beinen und Armen haben schlimmeres verhindert. Weil er sich schonen musste, arbeitete er aus der Redaktion in Adana…
Ich habe Abdullah kennengelernt, als ich als Regionalrepräsentant in Adana arbeitete. Wir haben rund sieben Jahre lang zusammengerarbeitet. Es hat mich sehr beeindruckt, wie er an die Dinge mit Tolleranz, anderem Blickwinkel und mit nachgeprüften Daten an die Sache heranging. Auch seine menschliche Seite war beeindruckend. Er hat alles was er hatte mit Menschen geteilt, die in Not geraten waren. Er war sehr großzügig.
„Emotional und naiv“
Abdullah Özyurt ist ein emotionaler und naiver Mensch. Dabei erfordert Journalismus eigentlich auch, dass man vor verstörenden Geschehnissen unemotional bleibt und diese an das Ganze an seine Leser weitervermittelt. An einem Unfallort oder vor einem Mordopfer erfordert diese Beruf, dass man seine Emotionen unterdrückt. Manchmal kann es auch sein, dass man wegen seines Berufes alle Emotionen verliert. Man fühlt dann nichts mehr. Todesfälle und Unfälle werden dann zu etwas Gewöhnlichem. Aber Abdullah hat sich trotz der vielen Ereignisse nicht verändert. Er hatte seine Gefühle unter Kontrolle und hat seine Arbeit erledigt. Wenn er aber mit seiner Arbeit fertig war, sah man ihm an, dass ihn die Ereignisse mitgenommen haben.
Er hat die Regionalnachrichten beherrscht. Er hat einige Jahre lang die Nachrichtentexte aus dem Raum Adana redigiert und die Regionalseiten koordiniert.
Später wurde auch er Opfer der Unterdrückung durch das Regime. Nur vier Tage nach dem Putschversuch vom 15. Juli wurde in Adana seine Wohnungstür aufgebrochen und er wurde festgenommen. Die Verhöre im Polizeigewahrsam dauerten lange, bis er ins Gefängnis. Wir hatten dann keinen Kontakt mehr zueinander. Über ein Jahr lang habe ich nichts von ihm gehört.
Eines Tages rief er mich dann an. Ich konnte es nicht glauben, als ich seine Stimme gehört habe. Einer meiner Kollegen war in Freiheit…
Wir haben uns hin und wieder getroffen und über die alten Zeiten gesprochen. Er hatte mit Aytekin Gezici, einem Kollegen, der in der selben Sache angeklagt war, die selbe Zelle im Gefängnis von Hatay geteilt. Abdullah ist die Personifizierung des Begriffs Loyalität. Wie seine Freunde erzählt haben, lebte die Familie von Aytekin Gezici in Adana und konnte deswegen ihn nicht besuchen. Es war eine schwieirge Zeit. Er hat deswegen yede Woche Aytekin Bücher mitgebracht. Gleichzeitig haben sich Abdullahs Freunde von ihm distanziert. Er konnte das nicht verstehen…
Er hat sich über Treulosigkeit und Alleingelassensein beschwert
Am Ende wurde Abdullah Özyurt zu sieben Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt, weil er Nachrichten auf Twitter geschrieben oder von anderen geteilt hat. Sein Fall ging bis vor den Kassationshof. Dort waren sie gerecht und haben das Urteil gegen ihn aufgehoben. Leider wurde Abdullah vor etwa sechs Monaten wegen einer Verleumdung erneut festgenommen. Der Vorwurf lautet „Neuorganisierung einer Terrororganisation,“ weil er bedürftigen Familien geholfen habe.
Er konnte seinen Beruf seit längerem nicht mehr ausüben. Er konnte nur ein- bis zwei Mal in der Woche auf den Märkten einen Stand aufmachen und etwas verkaufen. Damit konnte er nur sich selbst ernähren. Wegen dieser Verleumdung wird Abdullah erneut tyrannisiert. Er soll in den kommenden Tagen erstmals wegen der neuen Anklage vor Gericht gestellt werden.
Er vermisst seine kleine Tochter und seine Ehefrau. Abdullah Özyurt ist ein naiver Journalist, der seinen Ehefrau liebt. Ich hoffe, dass er schnellstmöglich wieder in Freiheit ist.“
Der Text ist für die deutsche Version redaktionell bearbeitet worden. Das Original finden Sie hier.